Dienstag, 21. Juni 2016

Der Rat der Agrarökonomen kostet unser Geld

Vorfahrt für Billigmilch, Rechnung an die Staatskasse. Milchindustrie profitiert

Acht Professoren der Agrarökonomie von drei deutschen Universitäten haben eine Pressemitteilung zum Milchmarkt verfasst. Für sie läuft der Milchmarkt mit seinem Milchüberschuss und dem daraus resultierenden existenzbedrohenden Preistief derzeit bestens. Sie begrüßen, dass „viele Landwirte (…) bei den derzeitigen Erzeugerpreisen von durchschnittlich ca. 24 Cent/kg nicht mehr kostendeckend Milch produzieren" können. Denn das führe ihrer Meinung nach dazu, dass „diejenigen Produzenten mit den ungünstigsten Kostenstrukturen aus der Milchproduktion aussteigen". Das wiederum senke die Angebotsmenge und lasse die Preise „tendenziell steigen". Andere Maßnahmen, um die Angebotsmenge sinken und die Preise steigen zu lassen, lehnen sie dagegen strikt ab. Sie sprechen sich sowohl gegen eine befristete Selbstverpflichtung der Milcherzeuger, der Molkereien oder der gesamten Branche zu einer Mengenvernunft aus als auch gegen eine befristete staatliche Einflussnahme auf die erzeugte Milchmenge, wie sie die Bundesländer einstimmig fordern und der sich der Bundesminister nun auch langsam nähert.

„Die Agrarökonomen haben ihre Zeit gehabt. Ihre Rezepte wurden im Milchmarkt vollständig umgesetzt, was Ursache und nicht Lösung des Problems ist. Erst wurden die Milchquoten erhöht und dann abgeschafft. Der Bau größerer Ställe wurde kräftig subventioniert. Viele Kühe kamen ganzjährig in den Stall, es wurde mehr Kraftfutter eingesetzt, die Milchleistung der Kühe stieg, jetzt gehen sie im Schnitt schon nach drei Jahren zum Schlachter. Alles wurde umgesetzt, um Milch möglichst billig zu erzeugen", kommentiert Ottmar Ilchmann, stellvertretender Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL).

„Im Ergebnis führen die Ratschläge der Agrarökonomen jetzt tagtäglich zu hohen Verlusten in allen noch verbliebenen 70.000 Milchviehbetrieben in Deutschland. Es gibt keinen Milchviehbetrieb, der zum staatlichen Interventionspreis von 20 Cent je Liter wirtschaftlich Milch erzeugen kann. Zudem empört das von den Agrarökonomen propagierte System die ganze Gesellschaft, die nun mit Steuergeldern hilflos lindern soll, was durch ökonomische Vernunft hätte leicht vermieden werden können", stellt Ilchmann fest. Die Wissenschaftler machten sich einen schlanken Fuß, indem sie sozialen und ökologischen Kosten ihrer Ratschläge voll und ganz auf die Steuerzahler abschieben wollten, kritisiert die AbL weiter.

Die wahren Profiteure der professoralen Ratschläge seien die stark exportorientierten Molkereien, die sich über billigen Rohstoff im Überfluss vielleicht freuen. „Aber warum soll diese Interessenlage ökonomisch sinnvoller sein als die Sorge um die wirtschaftliche Substanz von Tausenden Milchviehbetrieben?", fragt Milchbauer Ilchmann.

Wissenschaftler sollten selbstverständlich ihre Meinung kundtun, solange es nicht zu einem Meinungskartell komme, weil es dann keinen Wettbewerb der Ideen gebe, warnt die AbL. Die Branche und die Politik sieht die AbL dagegen gut beraten, wenn sie angesichts der dramatischen Situation auf den Milchviehbetrieben jetzt mit Hochdruck an solidarischen Lösungen arbeiten.